Golfzeit in Marokko | Agadir

Golfzeit in Marokko | Agadir

„Sonst sind wir immer nach Belek gefahren, aber wegen Erdogan fällt die Türkei leider weg“ – das ist derzeit einer der meistgehörten Sätze von Golfern in Marokko. Ägypten und Tunesien sind zu gefährlich, Spanien, Portugal und die Kanaren überfüllt – bleibt das Königreich Marokko als neues (altes) Golferland. Deutlich mehr Direktflüge als noch vor ein paar Jahren gibt es von Berlin, Düsseldorf, Frankfurt oder München. Mit Rückenwind sind es nur gut dreieinhalb Stunden nach Agadir, der Golfdestination Nr. 1 an der marokkanischen Atlantikküste. Dass man in einem nichteuropäischen Land gelandet ist, merkt man bereits bei der Einreise. Vor den Immigration-Schaltern bilden sich lange Warteschlangen, ohne Reisepass geht gar nichts. Vor dem Flughafengebäude aber lacht die Sonne und eifrige Marokkaner helfen für ein paar Euros beim Koffertragen.

Bislang ohne nennenswerte Terrorgefahr hat das arabische Land fast ganzjährig schönes warmes Sonnenwetter, ein paar Regenschauer und kleinere Kaltfronten über dem Atlantik nicht mitgezählt. Ich flog jedenfalls Mitte November bei -2 °C in München los und kam bei  +25 °C an.

Agadir wurde 1960 von einem Erdbeben total zerstört, hat daher keine Altstadt mehr, dafür aber jede Menge moderner Hotels und einen sensationell breiten und sehr sauberen Sandstrand, an dem man stundenlang spazieren gehen kann. Rundum gibt es viele tolle Golfplätze mit jeweils ganz individuellem Reiz. Ich habe den „Golfplatz du Soleil“ (2 x 18 Loch), „Les Dunes“ (27 Loch) und „Golf de l’ Océan“ (27 Loch) ausprobiert. Wegen des direkt am Meer gelegenen, erst 2014 eröffneten „Tazegzout Golf“ (18 Loch), der besonders schön sein soll, muss ich aber unbedingt nochmal hin.

Noch bis vor kurzem herrschte auf allen Golfplätzen in Marokko Caddypflicht. Inzwischen darf man auf dem „Golfplatz du Soleil“ und „Les Dunes“ auch selbst das Bag tragen oder auf dem Trolley ziehen. Auf „Golf de L’Ocean“, eine der schönsten Anlagen überhaupt, kommt man aber nach wie vor nicht allein über die Runden – und das läuft so:

Die Golfermeute stürzt bei Ankunft auf dem Golfplatz mit dem Shuttle-Bus auf die chronisch unterbesetzte Rezeption (Warteschlange) zu, um erstmal zu bezahlen. Danach teilt der Caddymaster die Flights ein und verteilt die Startzeiten (vorherige Reservierungen gelten nur so ungefähr). Hakim, Kemal, Mohammed und Mustafa übernehmen die Golftaschen und los geht’s.

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Als Golfer(in) hat man ab da nicht mehr viel zu melden. Mein Caddy bestimmt, wo’s langgeht. Er teilt mir meine Schläger zu (auch solche, die sonst eher selten zum Einsatz kommen) und entscheidet, wer zuerst abschlägt. Schnell wetteifern die Caddys darum, wer den besten Kunden erwischt hat. Schläge in Bunkernähe oder gar in ihn hinein werden von der ganzen Truppe im Chor mit „Sahara“ kommentiert, bei zu kurzen Drives fehlen die „Vitamine“ oder die „Bananas“.

Inshallah! Das Grün ist erreicht. Die Caddys markieren den Ball, indem sie mit dem Schläger eine Linie in den Boden ritzen. Dann fordern vier Caddys gleichzeitig „Mitteloch“, „links“, „rechts“ oder einfach „ins Loch“! Mehr als zwei Putts sind ein echtes Verbrechen und ein verputteter Par-Putt geht schon gar nicht: „Schlecht“, tadelt mich mein Mohammed kopfschüttelnd. Zum Glück kann ich ihn mit Hörnchen und Croissants vom Robinson Club-Frühstücksbüffet besänftigen. Dafür teet er mir jetzt „marokkanisch“ den Ball auf, indem er mit dem Rescue auf das Fairway hackt, so dass die Grasnarbe aufspringt und der Ball wunderbar erhöht liegt. Meine Mitspieler gucken neidisch, denn ihre Caddys legen den Ball lediglich „besser“. Mindeststandard!  Mein  Ball fliegt schön wie nie, aber leider in die falsche Richtung, „Mamma mia“, „Ali Baba“ ruft die Caddytruppe … und dann „Geht doch“!

Inshallah – endlich spiele ich das von allen längst herbeigesehnte Birdie! Die Caddys applaudieren lang anhaltend. Ich fühle mich wie ein Profi. Mohammed ist mit mir zufrieden, alles ist gut!

Die Abrechnung kommt zum Schluss: 12 Euro Festhonorar plus „Trinkgeld“ (für 41 Nettopunkte bitte auf keinen Fall zu mickrig). Das Birdie kostet extra! Egal, war die beste Runde seit langem – Inshallah läuft‘s demnächst auch ohne Mohammed gut – der hat‘s nämlich echt drauf!

 

2.12.2016/Claudia Bruckmann

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