PHANTASIEVOLL FREMD GEHEN

Brenninger

Der Brenninger war ja nicht so der Lyriker. Er hatte es eher mit den handfesten Romanen. Und liebte es, so er las, wenn die Leute phantasievoll mordeten und noch phantasievoller fremd gingen. Es musste etwas los sein. Nur im November – da überkam ihn stets ein wenig Sehnsucht nach Zarterem. Und er beschäftigte sich tatsächlich mit Gedichten. Ließ sich beispielsweise von Robert de Niro (also dessen deutscher Stimme) Rilkes HERBSTTAG vor tragen:

https://www.youtube.com/watch?v=2tjbT1Dtkeo

Was ihn nicht nur rührte, sondern auch inspirierte – und er gar selbst zur Feder griff! Und: Ein G-e-d-i-c-h-t verfasste! Über die letzten Zuckungen der Golf-Saison:

 

HERR: es ist Zeit. Der Golf-Sommer war sehr groß.

Leg deinen Schatten auf die Sandbunker,

und auf den Fairways lass die Winde los.

 

Befiehl den letzten Drives voll zu sein;

gib ihnen noch zwei südlichere Tage,

in Belek oder Kapstadt oder Bahrein,

dränge sie zur Vollendung hin und jage

die letzte Power in den schweren Schlag.

 

Wer jetzt noch kein Hole in one hat, baut sich keines mehr.

Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,

wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben

und wird zwischen den Wintergreens hin und her

unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.

 

Dann war er fertig, las es in Gedanken – und schließlich laut. Seiner Frau vor. „Und“, fragte er, „was meinst dazu? Soll ich das bei der Weihnachtsfeier vom Golfclub vor tragen?“

„Ja mei“, sagte seine Frau, nachdem sie lange überlegt hatte, „der Rilke kann sich ja nicht wehren…“

Eine Bemerkung, die dem Brenninger doch etwas schmerzte. Und er kurz an einen phantasievollen Mord oder zumindest an ein noch phantasievolleres Fremdgehen dachte. Aber dann schließlich das einzige Richtige tat: Seine Lyrik-Karriere entschieden zu beenden.

 

Der Brenninger ist ein typischer Freizeitsportler – und oftmals auf Reisen. Was er unterwegs und zu Hause erlebt, lesen Sie jeden Dienstag hier.

* Niedergeschrieben von Jupp Suttner.

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