Hannes Knapp
Nur der halbe Kopf ist zu sehen, ob Bub oder Mädchen, ganz eindeutig ist das aus dem Gesicht nicht abzulesen. Nur eines ist sicher: Das Kind lacht, das verraten seine Augen und das macht die Besonderheit des Fotos aus, das Hannes Knapp in Sao Tome und Principe geschossen hat. Sao Tome und Principe? Noch nie gehört? Kein Wunder, dabei handelt es sich um einen Inselstaat an der Westküste Afrikas mit 170.000 Einwohnern. „Dieses Land war für mich ein Wahnsinn. Ich habe noch nie so viele lachende Menschen gesehen“ erzählt der Innsbrucker von seinen dortigen Erlebnissen. Davon, dass sich die Kinder immer auf seinem Handydisplay ansehen wollten, da Spiegel Mangelware sind. Davon, dass er zum Essen eingeladen wurde, obwohl die Menschen im zweitkleinsten Land Afrikas, mit einem der kleinsten Bruttoinlandsprodukte der Welt, auch nicht viel besitzen. „Es geht auch anders. Ohne Stress, ohne viel Besitz“ hat Knapp nicht nur dort erfahren. Andere Länder, andere Menschen haben den 45-Jährigen schon früh fasziniert: Mit 16 Jahren, in den Schulferien, war er auf den griechischen Inseln unterwegs. Schon damals interessierte ihn der Badeurlaub in einem schönen Hotel wenig. „Ich habe Fischernetze geflickt, dafür haben mich die Fischer in ihren Booten von einer Insel zur nächsten gebracht“. Immer mit dabei: eine Kamera, um Faszinierendes festzuhalten. Nach der Schule ging es mit einem Freund einen Monat lang in die Vereinigten Staaten, danach in viele andere Länder der Welt. Die Auswahl, wohin es gehen sollte, traf Knapp unkonventionell. „Oft hat ein Freund, der in einem Reisebüro arbeitet, für mich das Ziel entschieden und auch gleich den Flug gebucht.“ Orientierungshilfe boten zudem Reiseberichte in Zeitungen und Magazinen sowie ein weltbekanntes Buch. Das Nachschlagewerk „1000 Places to see before you die“ - ein Reiseführer zu 1000 Orten, die man gesehen haben muss, bevor man stirbt – wurde zur wichtigen Entscheidungshilfe. „An 473 darin erwähnten Plätzen in insgesamt 72 Ländern bin ich schon gewesen“ lautet die vorläufige Bilanz des Innsbruckers, was die vergangenen 30 Jahre betrifft. Bis auf die Reise in die Staaten war Knapp immer alleine unterwegs. Aus gutem Grund. Jahrelang gehörten Stress und Druck zu seinem täglich Brot. In verschiedenen Berufen legte er auch schon mal pro Jahr 130.000 Kilometer mit dem Auto zurück. Auf seinen Reisen wurde die Entschleunigung daher zum Programm. „Ich kann zum Beispiel stundenlang auf das geeignete Fotomotiv warten. Das ist für mich Erholung. Aber für den Reisepartner ist das natürlich nicht zumutbar“ sagt Knapp. Stundenlang musste er etwa auf den Andamanen im Indischen Ozean warten, um einen Elefanten baden gehen zu sehen und im richtigen Moment abzudrücken. Stundenlang musste er auch warten, um einen Surfer genau in jener Sekunde auf der Welle zu erwischen, damit das Gewässer jene Dramatik bekommt, wie man sie beim Betrachten des Fotos spüren kann. Den streng durchorganisierten beruflichen Alltag wollte Knapp auf seinen Reisen aber auch auf andere Art und Weise entgehen. Möglichst wenig wird organisiert, im jeweiligen Land lässt sich der Innsbrucker einfach treiben. Nur einen Fixpunkt gibt es: immer geht es ihm um den Kontakt mit den Einheimischen. Ein Ansinnen, das gut, aber auch schlecht ausgehen kann. Die weniger guten Erfahrungen hielten sich allerdings zum Glück in Grenzen, hatten zumeist gesellschaftspolitische Hintergründe: Im Jemen etwa, wo Knapp 2010 unterwegs war und wo Einheimische mit Empörung reagierten, wenn er sich für ihre großzügige Einladung zum Essen erkenntlich zeigen wollte, „da hat man gespürt, dass es im Land kriselt“. Der Arabische Frühling sorgte nämlich auch im Land auf der Arabischen Halbinsel dafür, dass die Menschen auf die Straße gingen. Richtiggehend Angst hatte er in der philippinischen Hauptstadt Manila. „Das war die erste Stadt, wo mir nicht wohl war“ so Knapp über eine Metropole, in der man sich nicht sicher sein kann, ob jeder Polizist, jeder Taxifahrer echt ist und es nicht nur auf das Geld seines Gegenübers abgesehen hat. „Der Hoteldirektor hat mir dann ein richtiges Taxi organisiert und mir den Tipp gegeben, mich in möglichst schäbiger Kleidung und mit der Kamera in einem Sack in die Altstadt zu begeben, wo ich Fotos machen wollte. Und weil diese von Militärs bewacht wird, gab es dann zum Glück auch kein Problem.“ Doch ganz unbeschadet konnte er Manila doch nicht verlassen: eine Trickdiebin erleichterte Knapp um 20 Euro, ein verschmerzbarer Verlust. Dass er im Oman einmal die Mündungen von zwei Maschinenpistolen an seinen Schläfen spürte, hatte allerdings damit zu tun, dass er ein wenig zu schnell mit dem Mietauto unterwegs war und in der Folge eine militärische Sperre überfuhr. „Selbst schuld“ wie Knapp lachend kommentiert. Andere Länder, andere Sitten. Mitglied der Vereinten Nationen sind derzeit 193 Staaten, dazu kommen 13 weitere Staaten, Nationen, Länder oder Territorien, wo die Staatseigenschaft strittig ist. Knapp will auf jeden Fall noch mehr Unbekanntes sehen. Er hat daher vor wenigen Monaten das Hobby zum Beruf gemacht, ist jetzt als Reisefotograf hauptberuflich tätig. Auf der Homepage von National Geographic kann man bereits einige seiner 28.000 Fotos seiner Reisen sehen, auch die Idee für ein Buch trägt er mit sich herum. Und natürlich steht sein nächstes Reiseziel schon fest. „Südamerika, Kolumbien, Peru, Chile“ zählt Knapp auf. Und im Gepäck ist die Kamera mit dabei. (Vita von Irene Rapp von der Tiroler Tageszeitung) "Nimm Dir die Zeit für Deine Träume, bevor Dir die Zeit Deine Träume nimmt." www.travellers-dreamcatcher.com