Text und Fotos von Gregor Heinrich*
Viele meinen, dass Golfen in Deutschland/Schweiz/Österreich seinen Zenit überschritten habe oder dass die Golf-Begeisterung seit einiger Zeit nicht mehr so schnell wachse, wie noch vor vielen Jahren.
Hier einige Zahlen und ein Begründungsversuch.
Die Fakten – Stagnation
In der Schweiz waren 2017 fast 92000 Personen als Golfer registriert, bei stetigem Wachstum seit den etwa 6800, die 1975 registriert waren.[1] Oesterreich hat ein klein wenig mehr Golfer, nämlich ca. 102000 im Jahr 2018.[2] In Deutschland wurde 2018 zwar mit fast 650000 registrierten Mitgliedern ein Höchststand erreicht, aber es gab im Vergleich zu 2017 nur ein Wachstum von 0.3%, sprich ca. 1800 neuen Aktiven (2016 war das Wachstum 0.5%).[3] Ich vermute allerdings, dass mehr Menschen nun langsam in ein Alter kommen, in dem sie sehr viel weniger oder gar nicht mehr Golf spielen. Immerhin sind in Deutschland fast 64% der Spieler alter als 50.
Die Stagnation kann man an der Anzahl der Junioren erkennen. Waren in der Schweiz zwischen 2008 und 2013 jeweils mehr als 7000 Junioren registriert, ist die Zahl 2017 auf ca. 5200 gesunken. In Österreich waren 2017 immerhin noch ca. 8200 Jugendliche Golfer registriert. Doch gleichzeitig hofft der Schweizerische Golfverband, wie 2016 angekündigt, bis 2020 zehntausend neue Mitglieder zu gewinnen. Allerdings sind derartige Prognosen mit Vorsicht zu geniessen. im Jahr 2007, zum Beispiel, sah die Oesterreichische Wirtschaftskammer voraus, dass die Zahl der Golfer von damals 96000 es bis 2015 auf 215000 Spieler anwachsen würde.[4] Aber, wie oben berichtet, wurde dieses Ziel doch recht weit verfehlt.
Der Zeitaufwand, die Notwendigkeit, in jüngeren Jahren an seiner Karriere basteln zu müssen, die Kosten einer Clubmitgliedschaft oder für eine „Greenfee“, Platzreifeerfordernis, generelle Unlust einer “just fort me” Generation, sich in einen Club einzubringen, Wetter in Nordeuropa, etc. : viele Gründe werden angeführt, wieso der Golfsport kaum weiter wächst.
Die Golfverbände weltweit machen sich Gedanken, wie der Golfsport – in dem ja auch viel Potential für Werbung und Sponsorengelder steckt – weiter attraktiv und auch über Grenzen hinweg vergleichbar bleiben kann. Bereits 2006 bemerkte die Österreichische Wirtschaftskammer: “Für die Golfanlage der Zukunft spielen ein günstiger Preis, Erlebnis und kurze Spielzeit eine Rolle. ” Zudem machte sich auch damals schon ein bis heute anhaltender Trend bemerkbar, nämlich, dass Golfer immer weniger Bindungsabsicht an einen bestimmten Club zeigen und den Sport auf unterschiedlichen Plätzen ausüben. Dieser Trend allein dürfte aber nicht die Gesamtzahl der Golfer in einem Verband beeinflussen.
Ein schwacher Trost mag sein, dass auch andere Teile der Welt eine gewisse Stagnation des Golfsports erlebt haben. In den USA, zB, dem Land mit den meisten Golfspielern, gibt es seit 2006 einen steten Rückgang bei der Anzahl von Golfspielern, von 30 auf zunächst 22 Millionen in 2012 und inzwischen ca. 24 Millionen – und auch einen Rückgang in der Anzahl der Golfplätze. Doch seit 2016 jubeln die Marketingspezialisten wieder. Denn wenn nicht die Anzahl der “offiziellen” Golfspieler gezählt wird, sondern der Markt der Golfkonsumenten allgemein genommen wird, so ist auch dieser Anteil in den letzten Jahren von 31 Millionen auf 32 Millionen Menschen gewachsen. [5] Dabei werden nicht nur diejenigen Menschen gezählt, die mindestens einmal im Jahr auf einem Golfplatz eine Runde Golf spielen, sondern auch Benutzer von vollwertigen Golf-Simulatoren oder TopGolf Anlagen (mini-golf zählt nicht).
Was tun?
Der Schrei ist allgegenwärtig, gar in England: Golf sollte modernisiert werden, um den steten Niedergang zu beenden. Doch wie? Die Vorschläge, die auch von Profis vorgebracht werden, sind umfassend: preisgünstiger soll es werden, Familien sollen mehr eingebunden werden – gerade fuer Junge dauert Golf zu lang und ist zu teuer, 9-Loch oder gar 6-Loch Runden sollten mehr gefördert werden; Clubhäuser sollten attraktiver gemacht werden und das Angebot könnte um Kinderspielplätze, Kleinkindaufsicht, oder weiteren Sportangeboten auf der Anlage, inkl. Fitnessraum oder Sauna/Dampfbad; Ausbau von Par-3 Kursen, evtl verbunden mit Stundentarifen; Einführung von “Spassformaten”, ähnlich TopGolf, oder Formaten, die es ähnlich wie beim Bowling ermöglichen, dass Gruppen oder Familien beim Golfen gemeinsam Spass haben; oder auch die Einführung von Golf als Schul- oder Unisport, was in kontinental Europa vielleicht nicht so leicht zu bewerkstelligen ist, aber doch vereinzelt bereits ermöglicht wird.
Einen sehr spürbaren Beitrag zur Lösung des Problems soll nun ab 2020 ein weltweit standardisiertes Handicap System bringen, das „World Handicap System“ (siehe dazu separaten Artikel). Aber vielleicht läge die Lösung – wenn wir schon bei den Zahlen sind – darin, dem allgemeinen Fitnesstrend vorauszueilen und folgendes mehr Publik zu machen: Energieverbrauch bei 18 Löchern: 531 bis 2467 Kalorien (18 Loch zu Fuss, bis zu ca. 1700 Kalorien, wodurch ein Gewichtsverlust von netto bis zu einem Kilo erzielt werden kann); Schrittzahl: zwischen 11.245 und 16.667; und: beim Golfen werden bei korrektem Schlag 124 – machen sagen gar mehr als 200 – von 434 Muskeln aktiviert. Wenn das mal nichts ist….
Noch ein Gedanke zum Abschluss. Wenn nun Golf doch noch richtig populär wird, kann sich dann ein bestimmter Typ Spieler noch “vom Volk” abgrenzen? Doch, es ginge: die Mitgliedschaft in einem richtig elitären, selektiven und und teuren Club, die teuerste Ausrüstung, die ausgefallenste Markengarderobe, die extreme Golfreise, von der dann erzählt werden kann. Die Möglichkeiten sind gewaltig. Und alle anderen werden sich anderswo an diesem schönen Sport in der Natur erfreuen.
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Gregor Heinrich ist freier Journalist und Berater und lebt in Basel (siehe Website)
[1] Zu den Statistiken in der Schweiz, siehe www.golfsuisse.ch
[2] Zu Österreich, siehe www.golf.at
[2] Zu Deutschland, siehe www.golf.de
[5] www.statista.com und “Golf’s Consumer Base Increases To 32 Million, With Beginners Turning Out In Record Numbers”, Forbes Magazine, 25.4.2017.