Der ökologischste Club Mexikos – ein Projekt zur Abfallreduzierung.

CCCM cero basura

“Ich arbeite darauf hin, dass dies der erste Club in Mexiko ohne Abfälle wird – zero waste, cero basura”, so erklärt mir Santiago Lobeira, „grüner“ Unternehmer und Anwohner auf dem Gelände des “Club Campestre” in Mexiko City.

Santiago Lobeira

Es ist noch ein weiter Weg, bevor der Club wirklich abfallfrei wird. Enorm viel ist bereits geleistet worden. Zum Beispiel waren von Januar bis April 2018 noch 44000 Plastikbecher verwendet – und weggeworfen – worden. Mit der Einführung von 3000 wiederverwendbaren Bechern Ende 2018, ging der Verbrauch auf 12000 Wegwerfbecher zurück. Immer noch viel zu viel.CCCM cero basura - zero waste

Doch alte Gebräuche sitzen tief, meint Santiago, und es gäbe immer noch Leute, die den gespülten Bechern nicht trauen. Da bedarf es viel Überzeugungsarbeit und die Hoffnung, dass irgendwann der Stolz der Mitglieder, Pioniere zu sein, alte Gewohnheiten überwindet.

Mexico City, Müll und eine grüne Insel

Täglich fallen in im Kerngebiet von Mexiko Stadt mit seinen knapp 9 Millionen Einwohnern ca. 13 000 Tonnen Abfall an, grösstenteils unsortiert. Müllmänner in Mexico CityAuf der Strasse oder im Supermarkt oder halt auch in Sportclubs oder gar Kinos: an Plastik kommt man kaum vorbei. Am Saftstand ist der Becher aus Plastik oder Styropor, in unzähligen Essenständen auf Strasse wird das Essen auf Plastiktellern gereicht. Und im Supermarkt muss man sich an der Kasse fast schon wehren, um nicht alles in viele Plastiktüten eingepackt zu bekommen. Nur wenige Städte auf der Welt produzieren derart viel Abfall (absolut und pro-Kopf) wie Mexiko Stadt.

CCCMIn einem altehrwürdigen Golf- und Country Club mit seinen etwa tausend Mitgliedern ist natürlich nicht alles aus Plastik. In den diversen Restaurants wird edel serviert, und immer wieder finden grosse Veranstaltungen statt, sei es bei Turnieren, Jahrestagen usw. Mexikaner sind halt gern zusammen, um zu reden, feiern, essen und zu trinken. Das gilt besonders in diesem Club, der 1905  als „Mexico Country Club“ gegründet wurde. Damals lag er weit ausserhalb der Stadt.  Heute ist er eine grüne Insel in einem endlos scheinenden Häusermeer, vor allem, da hilfreiche Hände seit den 1950’ern über 6000 Bäume in das anfangs recht baumlose Gelände pflanzten. Damals wie heute sind die Nutzer dieser Insel allerdings weder arm noch ungebildet.

Nun hat auch das Umweltministerium von Mexiko Stadt dazu aufgerufen, die Müllberge zu reduzieren, mehr zu recyceln und mehr zu kompostieren[1]; doch wie das genau funktionieren soll,  ist den wenigsten klar.

Das Projekt: „zero waste – cero basura“

Da kommt der Idealismus von Santiago gerade recht.  In einem überschaubaren Rahmen sichtbare Fortschritte zu erzielen, kann auch einzelne Skeptiker überzeugen. So hofft Santiago, auch andere Clubs oder Firmen dazu zu bringen, nicht nur den Müll zu reduzieren, sondern dabei auch noch viel Geld zu sparen. Die Leitlinien stammen aus der ursprünglich aus den USA stammenden Initiative “Zero waste”, die auch in der Schweiz[2], Deutschland[3] und Österreich[4] ihre Ableger hat. Das grosse Ziel: keinen Abfall zu produzieren, der am Ende auf einer Müllhalde oder im Meer landet oder verbrannt wird.

Ganz ohne Abfälle wird es realistischerweise nicht gehen, meint Santiago.  Wenn bis 2025 90% der Clubabfälle nicht mehr auf einer Müllhalde landen, dann sieht er sein Ziel erreicht. Auch wenn es bereits jetzt Abnehmer für die Kartons, Pet Flaschen oder zerdrückten Alu-Dosen gibt (und in Zukunft gar mehr dafür zahlen): Pro Jahr verbraucht der Club z.B. noch ca. 2000 Flaschen Shampoo. Gäbe es Shampoo-Spender an den Wänden könnte der Club allein damit pro Jahr 200 riesengrosse Abfallsäcke weniger entsorgen.

Aber die Gewohnheiten …

An Wochenenden frühstücken über 200 Mitglieder im Club, über 600 wollen Samstag und Sonntag dort ein  Mittag- oder Abendessen. Findet ein Turnier statt, oder eine grosses Gesellschaftsereignis, steigt diese Zahl um ein Vielfaches. Im grossen Festsaal werden an Hochzeiten oder anderen Anlässen auf einen Schlag ein paar hundert Gerichte serviert. Im grossen Saal kamen allein 2019 über vierzig Mal je über 100 Gala-Gäste zusammen.  Was geschieht mit den Essensresten-, den Küchen- und anderen organischen Abfällen? Könnte der Club diese nicht zusammen mit dem Grünschnitt des Golfplatzes mit seinem alten Baumbestand kompostieren?

Noch transportieren Lastwagen das Grünzeug ab. Im Club gibt es nicht das nötige Gerät, um die grossen  Mengen zu verarbeiten. Auch haben die 35 Greenkeeper und Gärtner und die weiteren – über 10 – Mechaniker noch nicht gelernt, wie man in den Subtropen kompostiert. Aber alle anderen organischen Abfälle kommen in den künstlichen Magen.CCCM cero basura - zero waste - Orca

Santiago führt mich in einen Schuppen. Wie eine grosse Truhe sieht dieses Gerät aus. ORCA heisst es und arbeitet frei nach dem Motto: Müll rein, Wasser raus.[5] Laut Siemens-Anzeige befinden sich momentan 175 kg Abfall im Magen. Santiago öffnet den Deckel. Eine etwas zitruswürziger, grober Brei zeigt sich, die Rührstangen stehen still. Der aerobische Verdauungsapparat wird mit Mikroorganismen, Enzymen und etwas Wasser gefüttert.  Mit der Zeit verflüssigt sich der Abfall, und Rohre führen das Resultat dann, weitgehend gereinigt, zur clubeigenen Kläranlage. Das geklärte Abwasser wird dann wieder zur Bewässerung der Spielbahnen und Greens genutzt.

CCCM cero basura - zero waste

CCCM cero basura - zero waste - ORCADamit der Magen funktioniert, darf natürlich nur entsprechend vorsortierter Abfall in das Gerät. Es dürfen wirklich nur organische Abfälle hinein. Laut Prospekt kann das kleinste Gerät der Firma ca 65 Tonnen im Jahr verarbeiten, die dann halt nicht auf die Halde gebracht werden müssen.

Zur Belohnung werden zudem hunderte Liter Diesel eingespart.

Aller Anfang ist schwer

Die Vorsortierung bedeutet allerdings auch wieder Erziehung der Clubmitglieder. CCCM cero basura - zero wasteNun gibt es zwar überall verschiedenfarbige und deutlich gekennzeichnete Kübel für diverse Abfallformen, aber immer wieder werfen Mitglieder Papiertücher, Getränkeflaschen, Verpackungen oder anderes in die falschen Körbe. Früher leerten die vielen Angestellten ständig die Kübel, denn das galt als Zeichen von bestem Service. Nun versucht Santiago den Angestellten mit dem Segen der bisweilen skeptischen Clubleitung in Schulungen ein anderes Bewusstsein zu vermitteln: wenn ein wenig vom richtigen Abfall im richtigen Kübel liegt, dann fällt es dem nächsten Besucher leichter zu wissen, was wo hinein soll.

Aller Anfang ist schwer, doch selbst im Moloch Mexiko City gibt es einige hoffnungsvolle Inseln.

 

 

CCCM


 

[1] https://www.sedema.cdmx.gob.mx/programas/programa/basura-cero

[2] https://zerowasteswitzerland.ch/de/aufgabe/die-zerowaste-initiative-die-5r-methode/

[3] https://www.zero-waste-deutschland.de

[4] https://www.zerowasteaustria.at

[5] https://www.feedtheorca.com

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