Der erste Schlag ist stets der schlimmste. Lampenfieber auf der grünen Bühne. Matt Wallace kaut auf einem weißen Tee. Er ist ganz in schwarz gekleidet, der Titelverteidiger. Nur die Ränder der Schuhsohlen leuchten weiß – ein Modestil, wie er letztes Jahr, 2018, auch außerhalb von Sportarenen derart en vogue war, dass sogar Aldi Süd ganze Wagenladungen dieser Sneaker-Art unter die Menschen brachte. Wallace ist groß und schlank und prüft nun, bereits am Abschlag der 1 stehend, doch noch nicht draufhauen dürfend, jedes einzelne der Golfball-Dimples. So wie Federer & Co. vor jedem Aufschlag die Konsistenz des Tennisballs einer strengen Kontrolle unterziehen.
Es ist Sonntag, Finaltag, letzte Runde der BMW International Open 2019 auf dem Course des GC München-Eichenried, 12.34 Uhr – und gleich wird der britische Vorjahrssieger, der Gewinner der damals 30. Jubiläums-Austragung, vom Starter aufgerufen werden. Natürlich hat der aktuelle Führende der Europarangliste lange vorher bereits akribisch seinen Körper gedehnt. Doch in dieser Vor-Startmischung aus Magenkribbeln einerseits und gleichzeitiger Gelangweiltheit andererseits stretcht er sich eben noch einmal – und zwar die Waden. (Amateure dehnen immer nur die Arme.)
Dann Kopfkreisen – und endlich ist es soweit: Er darf den Driver schwingen. Zieht ihn auch gleich famos durch – und macht sich auf den Weg, erneut den Siegerscheck der BMW International Open, der wie bei seinem Vorjahrsgewinn auf 333 330 Euro ausgestellt ist, zu erbeuten.
Seine Aufholjagd als Dritter gegenüber dem führenden Österreicher Matthias Schwab beginnt auch
ausgesprochen verheißungsvoll – doch an der 9 dann das Desaster: Ein Annäherungsschlag nicht aufs satte Green, sondern ins grüne Gebüsch – Bogey. An einem späteren Loch noch einmal einen Schlag über Par – und der Traum von der Titelverteidigung ist ausgeträumt.
So wie am Ende der Traum des Martin Kaymer (34) ausgeträumt ist, nach zwei fabelhaften ersten Tagen wieder einmal ein Turnier zu gewinnen nach fünf Jahren. (Er wird geteilter 16.)
So wie ab der 13 der Traum des jungen Steirers Matthias Schwab (24) ausgeträumt ist, die Pole Position bis ins Clubhaus zu retten. (Er wird 3. wie auch Wallace.)
So wie am 2. Extraloch des Stechens der Traum des ebenso jungen Engländers Matthew Fitzpatrick (24) ausgeträumt ist, dass ein langer Putt vielleicht doch noch als Birdie endet und es für eine weitere Verlängerung in diesem Playoff reicht. (Er wird nach diesem Putt zum Par statt zu einem Birdie 2.)
Matt, Matthew und Matthias – alle Träume ermattet, wie auch jener des Franzosen Matthieu Pavon (am Finaltag vom 4. auf den 10. Rang zurückgefallen) und des Engländers Jordan Smith (vom 1. auf die 3. Position abgerutscht). So dass sich nur ein einziger großer Traum an diesem Tag erfüllt:
Der Traum des Italieners Andrea Pavan (30) – der sich an diesem Tag als 5. auf die letzten 18 Löcher begeben hatte und an deren Ende an der Spitze aller bereits Eingetroffenen lag. Der nun vor dem Fernseher saß und der Dinge harrte. Der sah, wie alle-alle-alle an seiner Marke von 273 Schlägen (15 unter) scheiterten – bis auf einen. Besagten Fitzpatrick. Den er, der 133. der Weltrangliste, dann im Stechen besiegte.
Zuerst mit einem 120-Meter-Zauberschlag aus dem Rough aufs Green („Ein tolles Gefühl – ich wusste sofort, dass das ein perfekter Schlag war!“, wie er später im TV-Interview mit Tränen in den Augen schilderte) – und dann mit einem Putt aus 220 Zentimetern zum Birdie. Ein wahrlich nervenaufreibender Schlag. Und garantiert tausend Mal schlimmer auszuführen als
der eigentlich schlimmste Schlag eines Turniers, der Startschlag. Großer Unterschied freilich:
Während der Startschlag alles eröffnet – beschließt der Siegschlag alles. Während eine Panne beim Startschlag noch vielfach während der Runde korrigiert werden kann – kann ein missglückter Siegschlag, also ein Nichtsiegschlag, bedeuten, ein Leben lang an diese große verpasste Chance denken zu müssen.
Glückt der Siegschlag freilich – dann wird man auch ihn nicht ein Leben lang aus dem Gedächtnis verlieren. Und sich vielleicht noch ganz, ganz oft an ihn erinnern. Zum Beispiel, wenn man am Start steht. Doch es wird nichts nützen. Der erste Schlag bleibt immer der erste. Und ist für viele das Allerletzte.
Copyright aller Fotos: BMW Golfsport/BMW Pressestelle
ANMERKUNG:
Insgesamt verfolgten 61.000 Zuschauer die gesamte Turnierwoche. Details zum Verlauf des Schlusstags sind (in Ausschnitten) einem Text der BMW-Pressestelle zu entnehmen:
Für Pavan ist es erst der zweite Sieg auf der European Tour. Zuvor hatte er bei der Czech Masters 2018 triumphiert. Der 30-Jährige ist der erste BMW International Open Sieger aus Italien. Am Sonntag gelang ihm nach Thorbjørn Olesen (DEN) und Bernd Wiesberger (AUT, beide -7) mit 6 unter Par die beste Finalrunde.
„Es ist unglaublich, dieser Sieg fühlt sich fast unwirklich an“, sagte der strahlende Pavan. „Ich habe heute zusammen mit Filippo Bergamaschi, einem Freund von mir aus Italien, gespielt, das hat geholfen. Es ist so schwer, ein Turnier zu gewinnen. Ich fühle mich gesegnet, dass ich hier mit dem Pokal stehen kann. Mein Caddie Cristian Alejandro Molina ist ein großartiger Typ. Dieser Sieg gehört ihm mindestens genauso sehr wie mir.“
Bis weit in die Finalrunde hinein war die Entscheidung über den Sieger der BMW International Open offen. Wie umkämpft der Sonntag war, zeigt ein Blick auf das Leaderboard: Bei 13 unter Par teilten sich in Titelverteidiger Matt Wallace (ENG), Rafa Cabrera Bello (ESP), Edoardo Molinari (ITA), Jordan Smith (ENG), Matthias Schwab (AUT), Alvaro Quiros (ESP) und Christiaan Bezuidenhout (RSA) gleich sieben Spieler den dritten Platz.
Kaymer, der erste und bisher einzige deutsche BMW International Open Sieger hatte das Leaderboard am Freitag nach Runden von 67 und 66 Schlägen angeführt. Am Wochenende blieb sein Putter allerdings kalt, sodass er insgesamt 1 über Par spielte. Das Fazit des 34-Jährigen fiel trotzdem positiv aus: „Der Killer für mich waren an diesem Wochenende die Spielbahnen sechs und elf. Da habe ich vier über Par gespielt. Mit den Abschlägen, die ich hatte, könnte man auch vier unter Par spielen – und hat das Turnier gewonnen. Aber ich konzentriere mich auf das Positive: Ich hatte in vielerlei Hinsicht wirklich eine Super-Woche, 68 Löcher habe ich sehr gut gespielt.“
Neben Kaymer hatten die Deutschen Max Kieffer (-5, T37), Dominic Foos, Max Schmitt (beide -1, T53) und Marcel Schneider (Even Par, T60) den Cut überstanden.
In der zweiten Runde hatte Gaganjeet Bhullar aus Indien ein Ass an der 17. Spielbahn (Par 3, 179 Meter) geschlagen und damit das BMW M8 Competition Coupé (Kraftstoffverbrauch kombiniert: 10,7 – 10,8 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 243 – 246 g/km) im Wert von 193.880 Euro gewonnen.
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