Seit 2009 können Golfer auf Deutschlands erstem Feng-Shui-Platz ausprobieren, ob auch sie auf der 18-Loch-Anlage und dem 6-Loch-Kurzplatz positive Wirkung für Körper und Geist erfahren. So mancher, der den Platz bereits bespielt hat, behauptet, auf der Runde keinerlei Müdigkeit verspürt zu haben. Funktioniert das Prinzip tatsächlich? Ein Besuch in Fürstenzell bei Passau.
Nichts und niemand kann Egon Krassler aus der Ruhe bringen. Hinter ihm klingelt das Telefon, vor ihm warten die Gäste. Doch er sitzt an seinem Schreibtisch, blättert in seinem Kalender und macht sich ganz gelassen Notizen. Das Telefon klingelt noch immer, die wartenden Gäste werden mehr. Hektik gibt es im Sekretariat des Panorama-Golfclubs in Fürstenzell, knapp elf Kilometer südwestlich der Dreiflüssestadt Passau, nicht. Was so mancher vielleicht als unfreundliche Geste versteht und mit einem ungläubigen Kopfschütteln quittiert, würde Krassler selbst wohl als ersten Schritt zur Entschleunigung bezeichnen. Vor gut 20 Jahren war das noch anders. Krassler war ein gefragter Architekt, plante unter anderem die Dompassage in Passau. Fast andauernd stand er unter Strom. Bis ihm der Arzt Burn-out attestierte. In dieser schweren Phase wurde ihm klar, dass Körper und Seele eine Änderung der Lebensweise verlangten. Während eines mehrwöchigen Klinikaufenthalts am Bodensee lernte Krassler unter anderem das Konzept der „Heilung durch Bewegung“ kennen. Als begeisterter Golfer entwickelte er daraus die Vision, durch Prinzipien des fernöstlichen Feng-Shui auch auf dem Golfplatz einen besonderen Energiestrom möglich zu machen. „Das Golfspiel an sich hat bereits eine sehr positive Wirkung auf Körper, Geist und Seele, die durch die energetischen Einflüsse noch verstärkt wird“, sagt er. Fast sein ganzes Vermögen steckte der Architekt in das Projekt „Panorama Golf“. Von rund vier Millionen Euro ist die Rede. Krassler selbst äußert sich dazu nicht.
Als passionierter Golfer, aber absoluter Laie in Sachen Feng-Shui habe ich mich vor dem Besuch erst einmal über die Grundsätze dieser Lehre informiert. Feng-Shui steht für das Gleichgewicht der Gegensätzlichkeiten. Yin und Yang. Wind und Wasser. Bislang kannte ich das Thema vor allem aus der Architektur. Der Mensch soll durch eine besondere Gestaltung seiner Wohn- und Lebensräume zu innerer Ausgeglichenheit und Harmonie kommen und daraus Kraft schöpfen. Auf dem Bromberg empfängt ein Baumtor die Besucher. Eine gewachsene Eiche auf der einen Seite, eine neu gepflanzte Linde auf der anderen. Beide stehen in der europäischen Mythologie für Gastfreundschaft. Auf dem Plateau hoch oben rund um das Clubhaus und unten im Tal ist nichts rein zufällig platziert. Findlinge, Pflanzen, Steinplatten, Ruhebänke, Bachläufe – alles hat auf dem etwa 80 000 Quadratmeter großen Gelände seine ganz spezielle Bedeutung. Ein Experte für Feng-Shui, sagt Krassler, habe vor dem Bau Kraftpunkte und Energieströme analysiert, sogenannte Störzonen wurden harmonisiert. Die Findlinge zum Beispiel sollen das Gleichgewicht des Energieflusses wiederherstellen, der durch die Eingriffe in die Natur beim Bau des Platzes gestört worden sei. Alles dient im Großen und Ganzen dem bewussten Wahrnehmen. Auch die Allee aus Platanen, durch die man auf dem Weg zum Clubhaus geht. Die Bäume, erklärt Krassler, stehen für die Leichtigkeit im Denken. Der im Restaurant aufgestellte Felsen soll Stabilität und Ruhe symbolisieren. Eben diese Ruhe, die auch der Geschäftsführer ausstrahlt.
Und ich selbst? Ich habe mir vorgenommen, mich zumindest auf das Experiment einzulassen. Mit im Golfgepäck habe ich dafür eine kleine Fibel, in der Krassler verschiedene Übungen für die Runde zusammengestellt hat. Es geht dabei vor allem um ruhiges und bewusstes Atmen. Schon auf dem Weg zum ersten Abschlag muss ich durch ein „Eröffnungstor“, rechts und links eingewachsen von Blumen und Gräsern, oben ein Windspiel, das in der warmen Luft hin und her bewegt wird. Beim Überschreiten der Schwelle soll man an dieser Stelle tief ausatmen und dabei den Alltag und die Gedanken bewusst hinter sich lassen. Krassler bezeichnet das als „Schritt zu mehr Energie und Leichtigkeit“. Um ehrlich zu sein: Es erfordert schon ein wenig Überwindung, diese Vorschläge in die Tat umzusetzen. Und entspannter als sonst bin ich vor dem ersten Abschlag trotzdem nicht. Das liegt aber auch an dem Blick, der sich auf dem Plateau auftut: Ringsherum sanfte Hügel, weite Wiesen und im Hintergrund die Alpen. Über 300 Meter geht der erste Abschlag erst einmal ins Nichts, hinunter ins Tal, hinweg über das Fairway, das – ganz nach Feng-Shui – wellenförmig abgegrenzt ist. Wer unten den Bach überquert, wird aufgefordert, sieben Mal tief auszuatmen und mit Gesten die eigenen Sorgen, Ängste und Probleme an das Wasser abzugeben. Ob das zu tieferer Entspannung verhilft, liegt an der Einstellung eines jeden Einzelnen. An meiner Spielweise jedenfalls hat sich auch nach weiteren Übungen nicht viel geändert. Einfach schwierig, wenn von hinten bereits die nächsten Spielgruppen drängen. Die Zeit so bewusst wahrzunehmen, wie sich Krassler als Macher des Golfplatzes das vorstellt, ist bei Hochbetrieb kaum möglich.
Die Abschläge wurden „an besonders kraftvollen Stellen“ angelegt, Bergkristalle sind dort in den Boden eingelassen. „Sie sollen zu besserer Konzentration verhelfen“, erklärt Krassler. Mit dem Driver komme ich trotzdem ein ums andere Mal von der Ideallinie ab, was an diesem Tag aber wohl an meinem falschen Schwung liegt. Das Energietor – aufeinandergeschichtete Findlinge, die an das englische Stonehenge erinnern und das Herzstück der Anlage bilden – ist schon von Weitem zu erkennen. Sie sind das Zentrum der Golfanlage und bei den Gästen ein beliebtes Fotomotiv. Eigentlich sollte man aber auch an dieser Stelle mehr Energie für den Rest der Runde tanken. Entlang der weiteren Spielbahnen gibt es „Aufladungs- und Abladungssteine“. Beispielsweise zum Beseitigen von Frustration und Spannung oder zum Vertreiben aufkommender Müdigkeit. Müde bin ich gegen Ende trotzdem. Denn der Panorama-Golfclub ist mit seinen zahlreichen Sandbunkern, einigen Wasserhindernissen und vielen Anstiegen zweifelsohne ein Erlebnis, aber eben auch eine Herausforderung. Und weil der Golfplatz mit seinem prächtigen Panorama wirbt, wurden an besonders schönen Aussichtspunkten Rast- und Sitzplätze eingerichtet. Aber in diesem Fall heißen diese Bänke „Energie-Aufladezonen“.
Info:
Panorama-Golfclubs in Fürstenzell