VON JUPP SUTTNER /// Jeden Freitag veröffentlicht das Online-Magazin Reise-Stories.de ein aktuelles Mini-Interview zum persönlichen Erleben der momentanen Zeit. Unsere Gesprächspartner/innen: Persönlichkeiten aus den Bereichen Tourismus, Sport, Kultur, Wirtschaft, Medien, PR und Marketing. Heute mit:
LARS RIEDEL (52),
Diskus-Olympiasieger 1996 sowie fünffacher Weltmeister in dieser Disziplin. Der gebürtige Sachse lebt heute mit Frau und zwei Kindern (6 und 8) am Tegernsee und ist als Markenbotschafter tätig. Außerdem hält er Coaching-Vorträge und dreht Fitness-Videos sowohl für Kinder als auch Erwachsene
SECHS FRAGEN AM FREITAG
Eine Frage, die wir als Reise-Magazin natürlich als Erstes stellen müssen: Was wäre Ihr Urlaubs-Traumziel 2020, wenn es keine Reisebeschränkungen gäbe?
Wir wären über Ostern in der Toskana gewesen. Weitere Pläne hatten wir gar nicht gemacht. Wir sind ansonsten gerne im Bayrischen Wald unterwegs, denn ich bin früher so viel geflogen, dass ich heute näher gelegene Ziele bevorzuge.
Wie halten Sie sich während der Ausgangsbeschränkungen fit – werfen Sie immer noch Medizinbälle an die Wand wie einst als Diskus-Star?
Nein, das ist lange vorbei. Das würde auch mein Rücken gar nicht mehr mitmachen. Zur Zeit also besser Radfahren und Spazierengehen, oft im Wald. Und im Garten chippen für das Kurzspiel. (Anmerkung der Redaktion: Es ist Golf gemeint. Riedel spielt mit Handicap 12 und ist mit 364 Metern als längstem Drive seiner bisherigen Golflaufbahn registriert.)
Welches Buch lesen Sie gerade?
„Psychologie der Massen“ von Gustave Le Bons. Er hat das 1895 verfasst und wenn man sich betrachtet, was er damals geschrieben hat und was heute abgeht – das ist schon krass. Zum Beispiel als Einzelner zu entscheiden – oder in der Masse. Das ist ein gewaltiger Unterschied.
Welches Spiel spielen Sie während dieser Zeit am liebsten?
MauMau mit den Kindern.
Welche Musik bringt Sie in dieser Zeit am besten über die Runden?
Das Konzert der Vögel! Wir wohnen hier direkt am Wallberg und wenn ich da im Liegestuhl liege und die Vögel höre – un-schlag-bar!
Was werden Sie als Erstes nach Aufhebung aller Ausgangsbeschränkungen machen?
Nach Düsseldorf fahren, um mein Knie machen zu lassen.
Interview: Jupp Suttner
Foto: Conny Konzack
Bisher erschienen:
Am Freitag, 10. April 2020 – Klaus Wolfermann:
Am Freitag, 17. April 2020 – Martha Schultz:
https://reise-stories.de/interview-6-fragen-am-freitag-alpin-queen-will-radeln-auf-ruegen/
Am Freitag, 24. April 2020 – Stefan Maiwald:
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DOCH ZURÜCK ZU LARS RIEDEL:
Denn:
Die Diskus-Legende wurde dieser Tage auch von dem bekannten Münchner Sportjournalisten Conny Konzack interviewt – der wahrlich ungewöhnliche und top-spannende Antworten erhielt. Bittesehr:
Konzack: Welche Auswirkungen hatten über 20 Jahre Hochleistungssport auf Ihre Gesundheit?
Lars Riedel: Ojé. Da kam so einiges… zunächst Vorwölbungen im Lendenbereich L4 und L5 – wo alles über Kreuz zusammenläuft und den meisten Sportlern zu schaffen macht. Auch meine Iliosakral- und Facettengelenke waren betroffen. Nach meiner aktiven Zeit rebellierten die Hüfte und später dann die Knie.
Sie sind heute in mehreren Bereichen ein Botschafter für die Gesundheit, halten darüber Vorträge und motivieren Hobbysportler. Wie gingen Sie früher und wie gehen Sie heute mit Schmerz um?
Für mich war und ist es immer wichtig, Ziele zu haben. Mein mentaler Trick früher und auch heute noch ist der, dass ich bei Schmerzen oder Verletzungen mein Ich und meinen Körper getrennt betrachte. Der Satz: ‚Ich bin krank‘ hätte mich früher immer heruntergerissen. Deshalb sage ich auch heute noch: ‚Mein Körper ist krank‘ – ich habe ihn quasi ausgelagert und ihn zum Arzt getragen. Dadurch blieb und bleibe ich im Kopf immer irgendwie frei. Kann jeder mal für sich ausprobieren…
Benötigen Sie diese mentalen Tricks auch heute noch oder sind Sie mittlerweile schmerzfrei?
Gottlob zwickt heute so gut wie nichts mehr! Das verdanke ich in erster Linie Behandlungen, die regenerative Heilungsmechanismen im Körper anstoßen, um erkranktem Gewebe Impulse zur Heilung zu geben. Dabei wird mein eigenes Blut in einem speziellen Verfahren aufbereitet, das – gezielt injiziert – positiv in die Entzündungs- und Schmerzprozesse von Bändern, Sehnen und Gelenken eingreift. Dieses sogenannte BCS-Verfahren, wie es die Experten nennen, hat mir enorm geholfen. Ich spiele ja viele Promi-Golfturniere mit, und letztes Jahr war mein erstes ohne Schmerzen…
Welchen Mehrwert erfahren Sie heute durch den Golfsport?
Ich merke immer noch, wie wichtig Ziele für mich sind. Selbst bei der Fitness setze ich mir ja heute noch welche. Hier ein Push oder eine Liegestütze, da eine Beuge mehr. Im Golf sind das halt ein paar Meter mehr Weite oder noch näher zum Pin. Der Golfsport hat heute meine sportliche Priorität, weil es mir einfach am meisten bringt – auch, um mich gesund zu fühlen.
Welche Tugend kann man vom Hochleistungssport fürs Golfen mitbringen?
Wie in jedem Sport oder im Beruf: Wer was erreichen will, muss immer wieder dranbleiben und trainieren. Beim Diskus waren früher auch Komponenten wie Kraft und Schnellkraft wichtig. Und übertragen auf den Golfsport ist meine Erfahrung trotz meiner Kraft, meiner Größe und den günstigen Hebelverhältnissen die, dass man am meisten über die Technik erreichen kann. Besonders im kurzen Spiel. Da heißt es eben auch: Dran bleiben und immer wieder trainieren… man muss es nur tun! Aber das Allerwichtigste ist: Es muss Spaß machen! Die Tugenden, die ich quasi von früher mitgenommen habe: Der Kopf muss mitspielen und man sollte sich auch auf den Hobbysport immer wieder mental vorbereiten – so hatte ich früher Erfolg und das gelingt mir heute auch noch.
Welche Tricks gibt’s gegen den „inneren Schweinehund“?
Da gibt’s auch nur eins: Wehret den Anfängen. Selbst wenn das Wetter mal nicht so mitspielt oder man nicht so viel Lust hat: Sich nicht hängen lassen, einfach rein ins Auto und hin zum Training oder zum Spiel. Damit hat man den wichtigsten Schritt schon getan…
Wie ist es Ihnen gelungen, sich immer wieder zu motivieren?
Wenn man einmal ein Ziel erreicht hat wie ich damals mit meinem ersten WM-Gewinn und dann mit der Goldmedaille, wird man süchtig. Das ist so mega und bringt einen solchen Flow- Effekt, dass man dieses Gefühl immer wieder haben möchte. Man wird nie satt. Der ideale Wurf war immer mein Ziel, aber den gibt es nicht. Deswegen wollte ich so nah ran kommen wie möglich, das hat mir früher immer geholfen, weiter zu kommen. So ist es im Hobbysport auch. Das versuche ich auch bei meinen Vortragsreden immer zu vermitteln.
Was ist für Sie das Besondere am Golfsport?
Einerseits die Natur in allen Jahreszeiten. Und Golfplätze sind ja meist in schöner Natur. Andererseits das Sportliche: Beim Diskus hatte ich immer nur jeweils sechs Versuche, beim Golf viel mehr. Aber diese Anspannung und dann wieder das Loslassen – immer wieder und wieder – das ist das gleiche. Und macht zudem riesigen Spaß. Jetzt, ohne all die Schmerzen, hab‘ ich ein neues Ziel: mein 12er Handicap einstellig zu machen…
Interview: Conny Konzack