Sportlich gesehen ist Südtirol-Trentino hierzulande am ehesten fürs Bergwandern/Bergsteigen sowie fürs Mountainbiken bekannt – als explizite Golfdestination weiß Gott nicht. Dagegen spricht alleine schon die schwierige Topographie der Region zwischen Brenner und dem Gardasee: enge und steile Täler, wenig ebenes Gelände, auf dem sich 18 Spielbahnen für gewöhnlich gut ausbreiten ließen. Und wo es einigermaßen flach dahingeht, stehen seit Jahrzehnten Apfelbäumchen-Plantagen.
Bild ganz oben: Tranport Teppich – Golfplatz St. Leonhard im Passeiertal
So wundert es nicht, das es in dieser autonomen Region nur vier 18-Loch-Plätze gibt, sowie ein paar teils besonders herausfordernde 9-Loch-Anlagen, wie z.B. am Kronplatz, am Karerpass oder in Corvara/Alta Badia. Damit nicht genug: Durch die zerklüftete Gebirgs-Landschaft steht man auch logistisch vor gewissen Herausforderungen, wenn man bei einem mehrtägigen Aufenthalt Abwechslung auf den Fairways und Greens haben möchte.
Aber es geht! Und wer sich ein bisschen Zeit für die teils wunderschöne Anfahrt nimmt, wird mit einzigartigen Natur- und Landschaftserlebnissen belohnt – egal wie das Golf-Spiel selbst gelaufen ist. Das die Runde auch beim schlechtem Score zu einem echten Genuss.
Zum Beispiel in Seis/St. Vigil unterhalb des Schlern-Massivs und der Seiser Alm (Autobahnausfahrt Klausen). Hier haben die Planer und Architekten einen Golfplatz an den Hang gezaubert, der stellenweise und in der Gesamtheit einer mittleren Bergwanderung gleichkommt. Alleine die 18 Spielbahnen überwinden schon rund 360 Höhenmeter.Hier findet sich mit 53 Metern Höhenunterschied zwischen Abschlag und Green bei rund 180 Metern Länge auch Europas extremstes Par 3-Loch. Schlägerwahl? Mindestens 3 weniger! Und dann die große Spannung, wo der Ball aufkommen wird…
Und dann gibt es noch einige echt herausfordernde Verbindungswege, nach deren Bewältigung man die Ehre des ersten Abschlags gerne weiter gibt, um durchzuschnaufen. So kommen bestimmt noch einmal 200 Höhenmeter dazu – das bewältigt man auch bei einer kleinen Bergwanderung am Tegernsee. Will sagen: Ein Cart ist hier absolut zu empfehlen und wirklich eine sinnvolle Investition, auch für ansonsten überzeugte “Läufer” (wie z.B. der Autor dieses Berichts einer ist!). Daran können auch die vier witzigen Apfel-Stationen nichts ändern, die die Betreiber unterwegs liebevoll als kostenlose kleine Energiespender aufgestellt haben. Für alle körperlichen Mühen entschädigt auf der Runde immer wieder der famose Blick auf das mächtige Schlern-Massiv. Und danach der Ausguck vom baumbestandenen Restaurant-Biergarten hinunter ins Eisacktal oder auf den Ritten oberhalb von Bozen.
Eine Ausfahrt auf der Brenner-Autobahn weiter (Bozen-Nord) lockt auf der anderen Tal-Seite auf einem Plateau auf fast 1400 Metern Höhe unterhalb des Latemar-Gebirges Südtirols ältester 18-Loch-Golfplatz in Petersberg. “Alt” bedeutet allerdings auch erst 1998! Früher war die Anfahrt durchs wahrhaft wilde Eggental eng und abenteuerlich mit Felsvorsprüngen und -überhängen. Inzwischen wurden hier einige neue Tunnel gebaut, die die Strecke wesentlich schneller machen, der Klamm aber auch ein großes Stück des landschaftlichen Reizes nehmen.
Auf dem Platz erfordern teils enge und kurvige Spielbahnen durch den Föhrenwald präzises Spiel. Auftretende Ballverluste werden durch phänomenale Ausblicke auf die umliegenden Dreitausender des Latemar und Rosengarten ausgeglichen. Unterwegs bietet der Platz einzelne Preziosen wie z.B. an Spielbahn 16 eine gezimmerte Holz-Sitzbank unter einem großen und blumenbestückten Wege-Kreuz. Und, nicht zu vergessen: Die Hoteliersfamilie Thaler aus Obereggen hat ihren alten Gutshof zu einem schmucken Club- und Wirtshaus umgebaut. Die Gastronomie ist vorzüglich! Die üppig bestückte Brotzeitplatte für den Viererflight nach der Runde am Nachmittag ein absolutes “Must”, wenn man abends noch essen geht.
Der dritte Platz Südtiroler 18-Loch-Platz liegt bei St. Leonhard im Passeiertal unterhalb des Jaufenpasses, wo es am Talende über die fast 2100 Meter hohe Passhöhe nach Brixen weiter geht. Hier hat Hotelier Karl “Schaly” Pichler mit dem Andreus Resort nicht nur ein formidables 5-Sterne-Resort geschaffen, das auch schon die Deutsche Fußball-Nationalmannschaft bei der Vorbereitung auf die WM 2014 beherbergte. Der Golfpionier des Passeiertals hat nach langem zähen Ringen mit den Bauern des Tals und der Südtiroler Landesregierung auch einen sportlich anspruchsvollen, aber fairen Golfplatz mit diversen Gags gebaut. 1996 wurden die ersten 9 Loch in Betrieb genommen, seit 2005 stehen 18 Spielbahnen zur Verfügung.
Schon beim Einchecken geht es vom Parkplatz mit einer kleinen Schrägaufzug, dem “Passeier Bahnl Cable Car”, ins Clubhaus. Am Tee 1 öffnet sich dann eine Schranke sekundengenau, wenn die jeweilige Startzeit gekommen ist. Diverse Spielbahnen sind liebevoll mit Blumenrabatten und Seerosenteichen geschmückt. Und den Weg zum letzten Abschlag erleichtert einem nach vier bis fünf Stunden Golf ein Transport-Teppich, wie man ihn vom Skifahren her auch an Liftanlagen kennt. Ein Plus zudem: Durch die vergleichsweise niedrige Lage auf rund 650 Metern Meereshöhe und durch die Lage im Windschatten des Gebirges fällt im Winter nicht so viel Schnee, ist die Anlage daher von März bis Dezember bespielbar. Ein echter Vorteil für das Ressort und das ganze Passeiertal.
Last, but bot least, bietet sich auch ein Ausflug ins benachbarte Trentino an, wo der Dolomiti-Golfclub in Sarnonico lockt. Hier stellt über viele Serpentinen der rund 1350 Meter hohe Mendelpass die Verbindung zu Südtirol her. Die Gründerzeit- und Jugendstil-Häuser auf der Paßhöhe verraten, dass hier vor über 100 Jahren Sommer-Tourismus geherrscht hat – unbedingt kurz aussteigen! In den 1920er Jahren gab es sogar schon einen 9-Loch-Golfplatz, der später verfiel.
Auf einem Hochplateau von rund 1000 Metern Meereshöhe belohnen einen erst 9 gepflegte Spielbahnen durch den Kiefernwald. An Loch 6 hat ein glücklicher Golfer ein Täfelchen an einem Baum hingenagelt, weil er mit Driver, Eisen 8 und dem Abpraller am Baumstamm “Eagle” gespielt hat. Die später dazu gekommenen und offeneren “zweiten 9” bieten phantastische Rundumblicke auf die umliegenden Almen und Berge der Brenta- und Maddalene-Gruppe. Mit 6375 Metern Gesamtlänge bringt der Kurs auch stattliche Flachland-Maße zusammen.
Wer diese vier- (oder mehr-)tägige Golfrundtour absolvieren möchte, für den empfiehlt sich am besten ein Hotel in Bozen und Umgebung. Von hier aus hat man nämlich in etwa gleich weite Anfahrten zu den Plätzen, die von der Südtiroler Hauptstadt aus zwischen 25 und 50 Kilometern betragen. Es sei aber jedem, nicht nur Flachländern, angeraten, wegen der kurvigen Anfahrt über Serpentinen-Strecken mit deutlich mehr Zeit zu rechnen, als man das von der Ebene her kennt. Zwischen 35 Minuten (Seis) und gut 1 Stunde (St. Leonhard/Passeier) sollte man einplanen.
Wie eingangs gesagt: Ein Mehrtages-Golf-Trip nach Südtirol mag vielleicht etwas aufwendiger und beschwerlicher sein, als anderswo. Aber es lohnt sich! Definitiv!
Text und Fotos: Markus Stegmaier